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TECHNO UPDATED

Peace, Love, Unity, Respect. Das waren Anfang der 90er die Schlagworte, die sich die Technoszene in Europa auf die Fahnen schrieb. Die Musik aus Detroit war damals etwas völlig Neues, Revolutionäres: Tanzmusik aus dem Computer, mit kompromißlosen, harten 4/4-Rhythmen und euphorisierenden Bassläufen und Melodien. Dazu kam in Europa die Rave-Kultur, die die körperliche Erfahrung nächtelangen Durchtanzens in den Mittelpunkt stellte. Doch was ist aus den Leitwerten und der vielbeschworenen Toleranz in der Szene geworden? Und wird heute anders gefeiert als vor 15 Jahren? War früher alles besser? Eine Bestandsaufnahme mit vier Frankfurter Technoheads.

Giuseppe, 26, ist unter dem Künstlernamen Leary bekannt. Anfang des Jahrtausends, von elektronischer Musik begeistert, tanzte er in Frankfurter Clubs die Nächte durch. Er kaufte sich schnell eigene Plattenspieler und legt nun seit fünf Jahren professionell Techno auf - auch in den Clubs, wo er einst die ersten Tanzschritte zu dieser Musik machte. Seiner Meinung nach hat die Offenheit und Toleranz in den letzten fünf bis zehn Jahren abgenommen. „Früher“, sagt er, „war es familiärer. Da hat keiner auf die Klamotten geguckt und du wurdest mit offenen Armen empfangen. Du konntest alleine in den Club gehen und am Ende hattest du 20 neue Leute kennengelernt. Heute geht man in den Technoclub, nicht um Musik zu hören, sondern um gesehen zu werden. Da sehe ich Tussis mit Stöckelschuhen, die die ganze Zeit in der Ecke rumstehen. Oder irgendwelche Kerle mit hautengen Jeans. Denen steht förmlich auf die Stirn geschrieben: ,Leute, schaut mich an!'.“ Außerdem sei es auch für Newcomer-DJs schwerer geworden, Fuß zu fassen, da die jüngeren Clubgänger nur noch dort hinkämen, wo ein etablierter Name auf dem Programm stehe. Seiner Meinung nach gehören die Mittdreißiger von heute noch zu den „richtigen Technogängern“. „Die kommen, obwohl sie vielleicht keinen DJ kennen.“ Denn: „Vor fünf oder zehn Jahren bist du in den Club gegangen und es war scheißegal, ob da Sven Väth oder Donald Duck aufgelegt hat. Es ging um die Musik.“ Und das sei heute anders.

Entgegen dieser doch recht negativen Einschätzung sieht man Leary förmlich aufblühen, wenn er hinter den Plattenspielern steht. Sei es in den Clubs wie U60311 oder Tanzhaus West oder in seiner Internet-Radiosendung „DeLearyUm“, wo er regelmäßig beliebte Szene-DJs zu Gast hat.

Seine Freundin Christina, 27, ist zum Techno über die 2001er Love Parade gekommen. Die friedliche Feieratmosphäre in Verbindung mit der schon vorher gehörten Musik hat bei ihr die Zündung ausgelöst. Doch auch sie beklagt Veränderungen in der Szene. So tanzen ihr die Leute heute zu wenig. „Die stehen heute immer am Rand rum. Da muß schon mal eine gute Phase sein, damit mal ein paar Leute vorm DJ-Pult tanzen.“ Sie erzählt von der Zeit vor einigen Jahren, als man die ganze Nacht durchgetanzt habe und es normal gewesen sei, daß man morgens schweißgebadet aus dem Club kam. Heute fehle oftmals die richtige Stimmung dafür. Die sei auf bestimmten Parties aber noch vorhanden: „Bei den Omenforum-Parties, da tanze ich noch richtig.“ Die sehr beliebten Omenforum-Parties finden zweimal im Jahr im Frankfurter Tanzhaus West statt. Dort werden die Techno-Klassiker aus der Zeit des 1998 geschlossenen „Omen“ gespielt. Auch Leary ist beim kommenden Termin als DJ dabei.

Christina ist trotz ihrer negativen Beobachtungen immer noch eine begeisterte Clubgängerin. „Ich kann nicht sagen, daß mir Clubben nicht mehr gefällt. Elektronische Musik ist immer noch das, was mir am Ehesten zusagt. Da ist auch für jeden was dabei.“ Inzwischen hört sie sich auch den vorher geschmähten, vergleichsweise langsam groovenden Minimal-Sound gerne an, der gerade in der Szene angesagt ist. Ihr Freund spielt einen härteren, perkussiven Technostil, der mit Tempi um 145 BpM die Tanzenden antreiben soll.

Johann, 32, betreibt die Szeneseite www.omendruffi.de und ist seit dem ersten Techno-Boom 1992 in Technoclubs unterwegs. Damit zählt er wohl den von Leary gemeinten „richtigen Technogängern“. Damals war er das erste Mal im Omen, dem ehemaligen Club von Sven Väth. „Das war 'ne andere Welt, irgendwie. Wenn ich mir vorstelle, wie ich da hin bin. Mit einer weißen Jeans!“ Er lacht. Die Jeans sei hinterher schwarz gewesen.

Anfangs habe aber noch wenig Toleranz bezüglich der Kleidung geherrscht. Die habe sich erst um 1993 entwickelt, als die Leute verrücktere Sachen anzogen. „Man spricht ja manchmal aus Spaß von den Staubsaugern auf dem Rücken. Aber damals war das tatsächlich so. Auch Bauarbeiter-Jacken hatte dann irgendwann jeder an.“

Johann ist nicht der Ansicht, daß sich die Szene so extrem verändert hat. „Die Preise waren früher besser. Aber die Leute, die labern heute immer noch genau so viel Scheiße“, scherzt er und grinst.

Für die Jüngeren äußert er Verständnis, denn anfangs sei man eben unsicher und mache auch Fehler. Aber er beobachtet eine zunehmende Spaltung der Szene in kleine Unterszenen. „Es gibt zum Beispiel die Schicki-Mickis, die gehen in den Cocoon Club und jedes Jahr zu den Cocoon-Parties auf Ibiza. Die würden schon mal gar nicht ins Tanzhaus West gehen. Das ist denen zu schmutzig.“ Sowas habe es vor zehn Jahren natürlich nicht gegeben.

Johanns Freundin Julia ist 18 und geht, seit sie vor fast drei Jahren die erste Technoparty erlebte, nur noch in Technoclubs. Ihr Favorit ist das Offenbacher Robert-Johnson. An der Tür wurde sie immer älter geschätzt, sodaß sie im Schlepptau von zumeist älteren Freunden auch ohne Altersnachweis hinein gelangte. Julia ist der lebendige Beweis, daß diese Musik auch weiterhin junge Menschen begeistert. „Es geht mir oft so“, sagt sie, „daß ich abends in den Club komme und die Musik so gut ist, daß ich sofort tanzen muß und dann bis morgens nicht mehr aufhören kann.“ Entgegen der Erfahrung von Leary und Christina findet sie die Technoszene immer noch viel offener und tolleranter als andere Szenen, wie beispielsweise „Hip-Hop-Clubs, wo alle die Nase weit oben haben“. Sie erzählt von spontan gebildeten Wohnungsparties mit um die 30 Leuten aus dem Club. Und anders als vielleicht manch alter Techno-Hase begrüßt sie, daß der Altersunterschied der Clubgänger inwischen recht groß ist. „Es ist doch gut, wenn so verschiedene Generationen zusammen feiern und Spaß haben können.“

Ob früher alles besser war? Dazu Julias Schlußstatement: „Ich kenne es nicht, wie es früher war. Ich kann nur sagen, wie es in den letzten zwei, drei Jahren war und das hat mir gefallen.“ Na bitte.

(Arne Tyarks aka Tyrex)